Cheftrainer André Haber im Fazit-Interview nach seiner ersten Saison beim HC Elbflorenz Dresden
Die siebte Saison in Serie in der 2. Liga, die beste Rückrunde seit dem Zweitligaaufstieg, das Einstellen der besten Platzierung, die beste Heimbilanz seit Zweitligazugehörigkeit sowie der beste Zuschauerschnitt der bisherigen Vereinshistorie. All dies und noch mehr hat der HC Elbflorenz Dresden in der kürzlich abgelaufenen Spielzeit erreicht. Mit Cheftrainer André Haber führte Wolfram Wegehaupt kurz nach der Saison ein Fazit-Gespräch. Thema war die so erfolgreiche abgelaufene Saison, die für den HCE auf Platz 4 endete. Dabei gab der Trainer der Dresdner einen tieferen und ausführlichen Einblick in seine Gedanken zur Saison 2023/2024. Gelbe Schuhe, besondere Spiele, eine Mannschaft, die auf sich aufpasst und ein Team, das Bock hat wieder anzugreifen, sind nur einige Dinge, für die sich das Lesen lohnt.
André, schön dass du dir die Zeit genommen hast. Bevor wir auf den HC Elbflorenz schauen, wollen wir etwas auf die Liga in der abgelaufenen Saison blicken. Hat dich ein Team überrascht, mit dem du vor der Saison nicht gerechnet hast?
„Also zu einzelnen Mannschaften kann ich weniger etwas sagen. Was ich aber zur Liga sagen kann: Sie macht einfach Spaß. Wie die 1. Liga verspricht diese Liga viel Spannung, guten Handball und eine Leistungsdichte, die einfach besonders ist. Diese Leistungsdichte ist damit auch Werbung für die Sportart. Davon abgesehen, bin ich auch schon eine Weile im Geschäft. Meine Tätigkeit in der 2. Liga liegt zwar schon eine Weile zurück, weil ich in den letzten Jahren in der 1. Liga tätig war, aber wirklich richtig überrascht hat mich jetzt nichts. Vielleicht war ich vor dem HC Elbflorenz mit Blick auf Liga 1, was die Einzelspieler und mein Wissen über sie angeht besser aufgestellt, aber das ist natürlich jetzt nicht mehr so. Davon abgesehen, war mir schon genau bewusst, was 2. Liga bedeutet.“
Findest du, dass das Leistungsniveau in der 2. Liga noch einmal zugenommen hat im Vergleich zu deiner früheren Trainertätigkeit in Leipzig?
„Das ist ganz schwer zu sagen. Hätten wir jetzt ein paar Zahlen und vergleichbare Werte, könnte man vielleicht etwas dazu sagen. Was auf jeden Fall zugenommen hat ist der Grad der Professionalität. Natürlich steht die 1. Liga da noch einmal drüber und es wäre ja auch merkwürdig, wenn es nicht so wäre. Allein, dass es eine Plattform gibt, wo man jedes Spiel On-Demand oder live geschaut werden kann, ist im Vergleich zu meiner Zweitligazeit ein riesengroßer Unterschied. Als ich angefangen habe Zweitligaspiele zu schneiden, da konnte man bei manchen Spielern im Video nicht einmal die Nummer erkennen, denn die Videoqualität gab das nicht her. Da habe ich dagesessen und mir gedacht, der Spieler hatte auf dem letzten Video gelbe Schuhe an und jetzt wieder, da wird er es wohl sein. So war das vor zwölf Jahren.“
Ist dir ein Spiel in dieser Saison besonders in Erinnerung geblieben und wenn ja, warum?
„Es gibt nicht ein Spiel, sondern ein paar Spiele. Natürlich mein erstes Spiel an sich für den HC Elbflorenz Dresden und auch das erste Heimspiel in der BallsportARENA – das gewonnene Spiel gegen Potsdam zuhause. Auch das erste ausverkaufte Spiel ist mir in Erinnerung geblieben. Beide Sachsenderbys waren Spiele, die in Erinnerung bleiben. Da finde ich es auch besonders schade, dass es diese Derbys nächste Saison nicht mehr geben wird und hoffe, dass es sie bald wieder gibt. Es sind einfach tolle Spiele für die Fans und die Region. Das Sachsenderby bei uns war auch besonders, weil davor die Verabschiedung von Max Janke als Spieler stattgefunden hat. Das war schon ein besonderer Moment, da ich ihn lange kenne und sportlich begleiten durfte. Das werde ich nicht so schnell vergessen.“
Welche Stärken haben deine Mannschaft im Trainings- und Spielbetrieb in dieser Saison besonders ausgezeichnet?
„Es gibt einmal die Sicht von außen, die kannst du dir bilden, die kann sich jeder bilden, der uns gesehen hat. Ich finde, wir treten schon als Mannschaft auf. Die Mannschaft ist eine Einheit, die füreinander einsteht. Das war mir und meinem Co-Trainer Fabian Bergers-Metzner vom ersten Tag an wichtig und wird auch in der nächsten Spielzeit wieder das Wichtigste sein. Ob wir am Ende dieses oder jenes Deckungssystem spielen oder im Angriff diese oder jene Auslösehandlung nutzen, das ist alles schön und gut. Viel wichtiger ist aber, dass wir alle in eine Richtung laufen. Das habe ich bei der Mannschaft gesehen. Und was die Mannschaft besonders auszeichnet ist, dass sie untereinander auf sich aufpasst. Auch wenn mal jemand ausschert, gibt es genug Leute, die denjenigen wieder zurückholen. Das zeigt sich in Trainingsqualität, das zeigt sich im Anspruch. Dass wir in Dormagen das letzte Tor nicht machen und das im letzten Spiel der Saison, hat die Jungs gewurmt und das zeigt den Anspruch. Mir geht es aber auch nicht nur um die Mannschaft, denn auch das Team um das Team hat einen tollen Job gemacht. Das muss man herausheben. Auch das war eine ganz klare Stärke und dafür bin ich sehr dankbar.“
Man hatte mit Blick auf den Anspruch das Gefühl, dass andere Mannschaften von außen betrachtet in der Saison größere Probleme hatten, gewisse Ziele zu verfolgen. Bei unserer Mannschaft erschien das nicht so. Wie siehst du das?
„Wir hatten es auch irgendwann leichter, was so etwas angeht. Wenn du auf einmal die Auswärtsspiele gewinnst und dann noch eines und so weiter, dann wächst natürlich das Selbstvertrauen und du kletterst in der Tabelle. Auf einmal bist du auf Platz 5 und dann hast du Kontakt zu Platz 4. Das sind dann schon geile Ziele. Wir wissen auch nicht, wie wir reagiert hätten, wenn wir um Platz 10 gespielt hätten. Wir können froh darüber sein, was wir geschafft haben und darüber, wie viel Lust unsere Mannschaft bis zum letzten Tag versprüht hat.“
Wo siehst du wiederum das größte Verbesserungspotenzial, wenn du schon einen kleinen Blick auf die kommende Saison wirfst?
„Verbesserungspotenzial sehe ich immer und überall. Wir haben natürlich Dinge, die wir verbessern können. Da geht es aber nicht nur um die Spieler, denn auch Fabian und ich sitzen gerade zusammen und überlegen, was wir vielleicht in der Vorbereitung verändern oder optimieren können. Ansonsten ist ein großes Thema die Konstanz und ein anderes, dass wir knappe Spiele auf unsere Seiten reißen. Das haben wir schon öfter geschafft als es schief gegangen ist. Wenn wir es aber noch öfter schaffen, dann haben wir auch ein noch größeres Selbstverständnis.“
Vor der Saison hast du mich gefragt, welchen Tabellenplatz ich für möglich halte. Ich sagte, einstellig wäre möglich und wenn es richtig gut läuft, könnten wir vielleicht Platz 6 angreifen. Ihr selbst habt nach Außen hin keine Platzierung ausgeschrieben. Jetzt ist es Platz 4 geworden. Wie schätzt du die Platzierung ein?
„Ich denke zunächst einmal, wir haben einen geilen Kader. Wir haben einfach auch dieses Mannschafts-Gen reinbekommen und das nicht von außen. Da können Fabian und ich das zehn Mal oder hundert Mal erzählen. Wichtig war, die Jungs wollten das von sich aus. Platz 4 ist in dieser Saison in meinen Augen ein herausragendes Ergebnis. Herausragend bedeutet, absolut über Durchschnitt. Darüber freue ich mich sehr. Und ich glaube, dass wir gut aufgestellt sind, um nächste Saison wieder zu einer sehr guten zu machen.“
Ihr hattet Saisonziele, wolltet schnellen und attraktiven Handball spielen und die Zuschauer begeistern. Wie weit haben wir uns den Zielen aus deiner Sicht genähert?
„Ich habe irgendwo gelesen, dass wir im Schnitt über 500 Zuschauer mehr hatten, als in der Spielzeit davor. 500 Zuschauer im Schnitt mehr und das nach der Coronazeit, das ist schon eine Hausnummer und damit sehe ich das Ziel als erfüllt an. Und mannschaftlich fühlt sich das mit den Jungs auch gut an. Es würden auch nicht so viele Zuschauer mehr kommen, wenn wir keinen attraktiven und erfolgreichen Handball spielen. Und das Schöne ist, dass ich genau weiß, dass am 16. Juli alle Spieler Bock haben, mit dieser Mannschaft wieder anzugreifen und noch besser zu werden. Genauso muss es sein und das ist eine sehr gute Basis. Ich finde es aber auch ganz wichtig, jetzt die Sache zu genießen. Die Zeit rennt und alle fragen, was ist das Ziel für die nächste Saison. Aber jetzt ist doch wirklich einmal die Zeit zweieinhalb Wochen auf Pause zu drücken und den Status Quo zu genießen. Danach geht es wieder los. Gerade in der heutigen Zeit, in der so viele irgendwie am Rotieren sind im Beruf und im Alltag, ist es auch wichtig, einmal innezuhalten. Wir haben bspw. Mitte Juli 2023 angefangen zu trainieren. Jetzt haben wir Juni 2024. Nach fast elf Monaten kann man sich dann auch einmal ohne schlechtes Gewissen freuen.“
Was machst du in der handballfreien Zeit oder gibt es die für dich nicht?
„Meine Frau und ich werden gemeinsam in den Urlaub nach Kroatien fahren. Sie ist schon seit Monaten heiß auf Urlaub und hat diesen geplant und gebucht. Ich würde ja sagen, dass ich es in dieser Zeit einmal schaffe nichts mit Handball zu tun zu haben. Meine Frau würde das vielleicht anzweifeln.“ (lacht)
André, danke dir für das Gespräch und einen schönen und erholsamen Urlaub!