Blogeintrag: Wolfram Wegehaupt (24.08.2025)
Traditionelles Spekulieren vor der Saison
Lesen muss man das hier wie einen Forumseintrag in einem Handballforum. Das Schöne ist, man darf spekulieren und mutmaßen und nichts anderes mache ich hier vor der Saison traditionell. Landauf, landab fragt man sich unter den Fans der 2. Liga und sicher auch unter vielen Verantwortlichen vor dieser Spielzeit: Wird es wieder so eine „verrückte“ Saison? Wir wollen noch einmal daran erinnern, dass sich in der abgelaufenen Spielzeit mehr als die halbe Liga lange im Kampf um den Nichtabstieg befand. Auch Mannschaften, die von ihrer Kaderzusammenstellung gar nicht für den Kampf um den Nichtabstieg vorgesehen waren, hatten keine Garantien. Bestes Beispiel ist der letztsaisonale Überraschungs-Absteiger ASV Hamm Westfalen, der nun in der 3. Liga antreten muss.
Der Kampf und den Aufstieg und die Top-6
SG BBM Bietigheim – Der Erstligaabsteiger als Fast-Top-Favorit
Bei meinem Blick auf die Saison fangen wir mit den Mannschaften an, die in die Top 6 vorstoßen könnten. In dieser Saison gibt es vielleicht nicht so den Top-Favoriten wie es der Bergische HC in der vergangenen Saison war. Am nächsten ran an diese Position kommt meiner Meinung nach der Erstligaabsteiger SG BBM Bietigheim. Die Baden-Württemberger spielten trotz Abstieg eine starke Erstligasaison und treten in der 2. Liga mit einer in weiten Teilen unveränderten und eingespielten Mannschaft an, welche im Juli bspw. noch einmal mit dem ehemaligen deutschen Nationalspieler Dibril M’Bengue auf Halbrechts verstärkt wurde. Für Trainer Iker Romero kommt nur der Aufstieg in Frage – konnte man schon Ende Juli lesen.
HBW Balingen-Weilstetten – Der Favorit vom Rande der Schwäbischen Alb
Noch eine kleine Stufe darunter, aber auch Mitfavorit für den Aufstieg, sehe ich die HBW Balingen-Weilstetten. Im letzten Jahr stieß das Team sensationell bis ins Final Four des DHB-Pokals vor. Allerdings haben die Balinger mit bspw. dem Abgang des Halbrechten Jerome Müller einen nicht unerheblichen Verlust zu verzeichnen, aber bspw. mit den Zugängen wie Georg Pöhle und Mex Raguse auf Halblinks auch ganz starke Zugänge. Entscheidend wird wohl sein, dass sich der Viertplatzierte der letzten Saison auf der Torhüterposition steigert, soll es mit dem Aufstieg etwas werden. In der letzten Saison gehörten die HBW-Keeper nicht zum Zweitliga-Torhüter-Spitzenpersonal. Im Handball ist diese Position aber bekanntlich eine ganz entscheidende.
TV Hüttenberg – Der letztjährige Drittplatzierte als Fragezeichen
Und der überraschend Drittplatzierte der letzten Saison, TV Hüttenberg? Grundsätzlich haben die Hüttenberger schon letzte Saison gezeigt, dass sie bspw. den Abgang von einem Leistungsträger wie Ian Weber kompensieren können. Auch nach der letzten Saison musste man mit Niklas Theiß wieder ein wichtiges Element im TV-Spiel gehen lassen. So will ich den TVH im Blick auf die letzte Saison in die Top-6-Kandidaten aufnehmen, aber das durchaus mit etwas „Bauchgrummeln“, und zwar hinsichtlich dessen, dass es wieder für den Kampf um den Aufstieg reicht.
HSG Nordhorn-Lingen – Die Mannschaft will/muss den nächsten Schritt gehen
Vor der letzten Saison hatte die HSG Nordhorn-Lingen im Blick auf einen größeren Umbruch eine Art „Welpenschutz“ bei mir. Damit ist es aber nun vorbei. Die HSG wirkte vergangene Saison sehr stabil für ein Team im Umbruch. Jetzt hat sich das Team aus dem Norden noch einmal verstärkt, bspw. mit Rückraumspieler Ian Hüter vom Absteiger Hamm. So erwarte ich, dass die HSG ein gewichtiges Wort um die Top-6 mitreden kann und der Abgang von Rückraumkante Georg Pöhle nach Balingen kompensiert werden kann.
VfL Eintracht Hagen und TuS Ferndorf – Die „Geheimtipps“
Neben den genannten Mannschaften würde ich es auch dem VfL Eintracht Hagen und sogar dem TuS Ferndorf zutrauen, an die Top-6 anzuklopfen. Der VfL blieb gefühlt in der letzten Saison unter seinen Möglichkeiten und sicher auch unter den eigenen Erwartungen. Stabilität fand das Team erst nach dem Trainerwechsel zu Pavel Prokopec. Kann die Eintracht diesen Weg wieder aufgreifen, ist sie ein Kandidat für die Top-6. Der TuS Ferndorf spielte als Aufsteiger in der abgelaufenen Spielzeit eine starke Saison und hat sein eingespieltes Team mit zwei Zugängen vom Absteiger ASV Hamm Westfalen – es kommen Tom Jansen (rechter Rückraum), Julius Meyer-Siebert (linker Rückraum) – prominent verstärkt. So traue ich dem TuS zu, eines der Überraschungsteams der Saison zu werden.
VfL Potsdam – Die Wundertüte mit Potenzial
Dann wäre mit dem VfL Potsdam noch die Mannschaft, bei der man zum Spekulieren regelrecht eingeladen wird. Warum? Von dem damaligen Aufsteigerteam ist im Grunde nichts mehr übrig. Zudem verlor der VfL viele Leistungsträger nach dem Abstieg. So sind die Potsdamer zwar eine gewisse Wundertüte, aber eben eine mit drei italienischen Nationalspielern (Nationaltrainer Bob Hanning!), dem Spieler der Saison 2024/2025 aus Österreich, zwei deutschen Junioren-Nationaltorhütern usw. Damit ist der VfL wohl die Mannschaft mit dem größten Entwicklungspotenzial, und warum sollte man sich nicht in die Top-6 hineinentwickeln?
Der HC Elbflorenz – Auf dem Weg zum Spitzenplatz?
Mit der Frage der Entwicklung steht und fällt auch die Platzierung des HC Elbflorenz in diesem Jahr. In der letzten Saison konnte man den angestrebten Spitzenplatz nicht erreichen, denn mit Platz 5 gehörte man in der letzten Spielzeit nicht zum Spitzenbereich. Die Mannschaft ist im Wesentlichen zusammengeblieben und wurde nur im rechten Rückraum mit Viktor Petersen Norberg und Anton Preußner doppelt neu besetzt, denn dort sahen die Verantwortlichen Bedarf. Neben der Hoffnung das die Neuzugänge richtig zünden, muss aber vor allem der Teil des Kaders, der schon länger besteht, sich steigern, wollen die Sachsen im Spitzenbereich der 2. Liga mitreden. Die ersten drei Spieltage werden dann gleich zeigen, wo man steht, denn es geht mit Bietigheim und Balingen gleich gegen die zwei Aufstiegsfavoriten und danach mit Potsdam, gegen die Wundertüte mit viel Potenzial.
Der Kampf um den Klassenerhalt
So verbleiben noch 10 Teams, welche es einzuordnen gilt. Springe ich doch gleich mal von oben nach unten. Wer sind also die „Verdächtigen“ im Kampf um den Nichtabstieg? Im Blick auf die letzte Saison wäre die Antwort: Die restlichen 10 Teams. So einfach will ich es mir aber nicht machen.
HC Oppenweiler/Backnang und HSG Krefeld Niederrhein – Liga 2 als hartes Pflaster
Fast schon üblich ist es, die zwei Aufsteiger zu nennen, wenn es um den Kampf gegen den Abstieg geht. Dies wären die Sieger der Aufstiegsrunde HC Oppenweiler Backnang und die HSG Krefeld Niederrhein. Für beide gilt es, vom ersten Spieltag an Punkte für den Klassenerhalt zu sammeln. Beide Mannschaften gehen auch mit dem Ziel Klassenerhalt an den Start. Der HC Oppenweiler Backnang sowie die HSG Krefeld Niederrhein haben sich zumindest im Blick auf die Neuzugänge gezielt in Richtung Zweitliganiveau verstärkt und beide Mannschaften vereinen bei Weitem mehr Erfahrung in der 2. und teilweise sogar der 1. Liga in sich, als der letztjährige chancenlose Auf-und gleich-wieder-Absteiger HSG Konstanz. Man kann also davon ausgehen, dass sich beide Mannschaften ein ganzes Stück mehr im Kampf um den Klassenerhalt wehren können als die HSG. Allerdings hat ein Großteil beider Mannschaften bisher keine Erfahrung in Liga 2. So ist die Frage, ob es im Blick auf die Tiefe des Kaders vor so eine lange kräftezehrende Saison reicht, auch wenn Leistungsträger einmal verletzt ausfallen. Zudem ist die Frage, wie beide Mannschaften nach tollen Siegesserien in der letzten Saison damit klarkommen, wenn es auch einmal viele Spiele am Stück keine Punkte geben sollte. Bei allen Teams, die vor allem die letzte Zweitligasaison überstanden haben, sehe ich ihr einen noch größeren Erfahrungsvorteil als er so oder so schon ist. Die ersten 10 Partien könnten bei beiden Vertretungen schon sehr richtungsweisend sein.
TSV Bayer Dormagen – Wie viel Sören Steinhaus bekommt der TSV?
Nennen muss ich hier auch den TSV Bayer Dormagen, der vor allem in Sören Steinhaus einen absoluten Top-Rückraumspieler der 2. Liga in seinen Reihen hatte. „Hatte“ ist nicht ganz richtig, denn besagter Steinhaus – eigentlich zu seinem Stammverein Erstligisten Bergischer HC abgewandert – erhielt vor kurzem nun eine Zweitspielrecht für den TSV. Es ist zu vermuten, dass bei den Dormagern das Thema Klassenerhalt durchaus an der Einsatzzahl von Sören Steinhaus gekoppelt sein könnte. Er war einfach ein Unterschiedsspieler für den TSV.
Das Mittelfeld
TUSEM Essen, VfL Lübeck-Schwartau, TV Großwallstadt, HSC 2000 Coburg und Dessauer Roßlauer HV – Fünf Teams zwei Fragezeichen
Es sollte zumindest eines klar sein: Es ist das Potenzial bei allen diesen Teams da und der Anspruch sollte es auch sein, die beiden Aufsteiger hinter sich zu lassen. Zudem haben alle diese Teams die Fähigkeit, den Spitzenteams immer wieder wichtige Punkte abzunehmen. Vor allem in der eigenen Halle sind all diese Mannschaften aus unterschiedlichsten Gründen schwer zu bespielen. Dass diese Teams in die Top-6 vorstoßen, halte ich zwar nicht für unwahrscheinlich, denn diese Liga produziert immer Unvorhersehbares, aber ich halte es für weniger wahrscheinlich als bei den Teams, die oben genannt wurden. Insofern würde ich diese Mannschaften als Mittelfeldriege bezeichnen, und das hat gar keine despektierliche Note, denn wer an die letzte Saison zurückdenkt, weiß: Ein gesicherter Mittelfeldplatz ohne immer nach unten schauen zu müssen, wäre für viele Teams ein Segen gewesen. Ein kleines Fragezeichen würde ich hinter die Dessauer setzen, haben sie doch in Trainer Uwe Jungandreas und Spielmacher Vincent Bülow neben und auf der Platte zwei ganz wichtige Abgänge zu verzeichnen. Ein weiteres Fragezeichen bekommt aus meiner Sicht TUSEM Essen. Beim Verein aus dem Ruhrgebiet lagen zwischen Heim- und Auswärtsauftritten gerne einmal ein paar kleine Welten. Es ist schwierig vorstellbar, dass so eine Dysbalance zwei Spielzeiten hintereinander zum Erfolg führt.
Die großen Fragezeichen?
Eulen Ludwigshafen und TuS N-Lübbecke – Einschätzung schwierig!
Und dann wären da noch die großen Fragezeichen-Teams. Hier zu nennen wäre aus meiner Sicht die Eulen Ludwigshafen, welche in den letzten Jahren eine weniger gute sportliche Entwicklung vollzogen haben. Ob der Neuzugang Vincent Bülow hier einen wichtigen Impuls zur sportlichen Trendumkehr geben kann, ist wohl die entscheidende Frage. Zur Erinnerung: In der letzten Saison machten die Eulen erst am letzten Spieltag den Klassenerhalt klar.
Noch so ein Beispiel für eine verkorkste sportliche Entwicklung – nicht erst seit dieser Saison – ist der TuS N-Lübbecke. Ähnlich wie bei den Eulen konnte man beim TuS über einen mittelfristigen Zeitraum eine sportliche Entwicklung beobachten, welche fast zum Abstieg in die 3. Liga führte.
Es ist schwer daran zu glauben, dass beide Teams in der kommenden Saison wie Phoenix aus der Asche steigen, aber es ist auch schwer daran zu glauben, dass die Verantwortlichen aus der Entwicklung der letzten Jahre nicht die richtigen Schlüsse gezogen haben. Bei beiden Mannschaften lässt sich für mich schwer eine Aussage treffen, wohin die Entwicklung geht.