Die Saisonanalyse von Redakteur Wolfram Wegehaupt
Gleich vorweg: Wie üblich werden hier keine einzelnen Spieler im Hinblick auf eine Saisonbilanz bewertet. Handball ist ein Mannschaftssport – und damit ist alles gesagt. Es wird auch nicht darum gehen, handballerisch oder taktisch verschiedene Dinge zu hinterfragen oder zu sezieren. Das ist die Aufgabe derjenigen, die jeden Tag ganz nah an der Mannschaft sind und am besten beurteilen können, wo man wann welchen Hebel ansetzt und was man beibehalten oder weiter stärken kann.
Was bleibt von einer Saison?
Diese Frage stellen sich sicher viele Handballvereine landauf, landab – unabhängig von der Spielklasse. So stellt sich auch beim HC Elbflorenz die Frage: Was bleibt von dieser Saison 2024/2025? Ohne Umschweife: Es bleibt der Eindruck, dass mehr drin war für die Dresdner. Das Ziel, sich in der Spitzengruppe der 2. Liga wiederzufinden, hat man verpasst. Am Ende belegen die Tiger mit 37:31 Punkten den 5. Tabellenplatz. 16 Siege, 13 Niederlagen und 5 Remis sind die Bilanz aus 34 Spielen.
Wir lassen zur Saisonbilanz jemanden zu Wort kommen, der zwar nicht unfehlbar ist, aber einen Blick von außen hat – ganz ohne Stallgeruch. In einer Folge des Dyn-Formats „Kretzsche und Schmiso“ im Mai vertrat Bob Hanning, Geschäftsführer der Füchse Berlin und Handball-Tausendsassa, den verhinderten Experten Stefan Kretzschmar. Selten wird in diesem Format über die 2. Liga gesprochen – in dieser Folge aber schon, da Hanning selbst in der letzten Spielzeit bspw. den VfL Potsdam als Zweitligatrainer zum Erstligaaufstieg coachte. So sagte Hanning im Mai zum Aufstiegskampf in der 2. Liga (zu diesem Zeitpunkt waren noch wenige Spiele zu spielen): „Ich habe gedacht, Elbflorenz macht das noch. Das ist eigentlich eine Mannschaft, die immer in die 1. Liga gehört. Die auch absolut das Potenzial hat – sich dann aber zwischendurch einen Sch…dreck zurechtgespielt hat. Wo ich mir gesagt habe: Was machen die denn da? Jetzt sind sie noch einmal gekommen, aber denen fehlt einfach die Konstanz.“
Ob man nun die gerne einmal überspitzten Klare-Kante-Aussagen von Bob Hanning mag oder nicht – eines kann man so stehen lassen und doppelt unterstreichen: Den Sachsen fehlte in dieser Spielzeit die Konstanz. Und damit ließ sich ein gewisses gefestigtes Selbstverständnis, wie man es in der letzten Saison mehr spürte, einfach nicht aufbauen. Klar ist: Das Wort Aufstieg wurde von den Dresdnern selbst nie in den Mund genommen – wohlwissend mit Blick auf die Stärke der Liga und hinsichtlich dessen, dass man sich immer noch in einer Entwicklungsphase befindet. Klar ist aber auch: Man ist am Ende der Saison zu weit weg von Spitzenplätzen, welche bei Platz 4 beginnen. So hat man bspw. acht Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz, aber zehn Zähler Abstand zum zweiten Aufstiegsplatz. Das bringt uns gleich zu einem entscheidenden Punkt.
Bergischer HC als klarer Aufstiegskandidat
Hätte man vor der Saison eine Umfrage unter den Zweitligatrainern gemacht, wer als Spitzenteamkandidat mit Blick auf die Aufstiegsränge gilt, wäre der Bergische HC vermutlich immer genannt worden – und am Ende setzte sich der Erstliga-Absteiger auch verdient und klar durch. Hätte man weiter gefragt, welche Teams um den zweiten Aufstiegsplatz mitspielen könnten, hätte wahrscheinlich niemand Hüttenberg genannt – aber viele, vermutlich z. B. Balingen oder Dresden. Auch der zweite Aufsteiger GWD Minden drängte sich nach der Vorsaison 2023/2024 nicht wirklich auf. Wenn man ein Spitzenteam in der 2. Liga sein will – und das wollen die Dresdner –, dann muss man sich auch mit den Spitzenteams der Liga messen. Nehmen wir den souveränen Tabellenführer und Aufsteiger Bergischer HC, den Tabellenzweiten GWD Minden, den Tabellendritten TV Hüttenberg und den Tabellenvierten HBW Balingen-Weilstetten. Schaut man auf die Punkteausbeute des HCE gegen diese Teams, wird deutlich: Das war zu wenig, um oben mitzuspielen. Von sechzehn möglichen Punkten gegen diese Gegner holte der HC Elbflorenz lediglich zwei. Das spricht mit Blick auf die Punkte eine deutliche Sprache. Beim genaueren Hinsehen wird aber auch klar: Die Dresdner zeigten bei den Topteams durchaus starke Spiele. So verlor man nur mit einem Treffer beim Bergischen HC und in Balingen sowie mit zwei Toren in Minden.
Die Tiger zeigten erneut tolle Heimspiele und lockten im Schnitt etwas mehr als 2.000 Zuschauer pro Spiel in die Halle. Damit steht man im Ligavergleich gut da. Mehrfach durfte das Team von André Haber vor ausverkauftem Haus emotionale Partien erleben. Wer erinnert sich nicht an den Weihnachtskrimi gegen den TV Hüttenberg – wohl eines der emotionalsten Spiele der Saison. Die BallsportARENA hat schon mehrfach bewiesen, welchen Druck sie auf Gegner entwickeln und wie sehr sie das Heimteam beflügeln kann. Insgesamt ist die BallsportARENA ein Konstrukt, wie es das in Handballdeutschland kaum gibt. Viele Vereine proklamieren, dass ihre Heimarena das „Zuhause“ ist – der HCE kann dies wirklich für sich behaupten, denn in der Arena läuft alles zusammen, was diesen Verein ausmacht.
Rang 9 in der Heimtabelle
Zufrieden wird man mit 22:12 Heimpunkten und Platz 9 in der Heimtabelle wohl trotzdem nicht sein. Auch wenn es schwer ist, Saisons miteinander zu vergleichen, sei erwähnt, dass man in der vergangenen Saison 25:9 Punkte in eigener Halle holte. Damit wäre man in dieser Spielzeit unter den Top-6-Teams. Die Auswärtsstatistik ist mit 15:19 Punkten akzeptabel. Auf der anderen Seite war diese Zweitligasaison wohl eine der verrücktesten seit Bestehen: Es befanden sich bis zwei Spieltage vor Schluss viel mehr Teams als erwartet im Abstiegskampf – und auch noch am letzten Spieltag konnten noch fünf Mannschaften absteigen. Neben dem Aufsteiger HSG Konstanz, der als Absteiger zu erwarten war, erwischte es den ASV Hamm-Westfalen doch überraschend. Dass die Dresdner – im Gegensatz zu vielen anderen Teams – nicht betroffen waren, ist ein Ausdruck ihrer Qualität, die sie viel besser auf die Platte brachten als so manch anderes Team, das für das erste Tabellendrittel gebucht schien. Beispiele wären der ASV Hamm-Westfalen oder der TuS N-Lübbecke.
Um es klarzustellen: Der HC Elbflorenz Dresden hat keine schlechte Saison gespielt. Es wäre übertrieben, das zu behaupten – und es würde der Stärke der Liga, in der fast die Hälfte aller Teams bis in die letzten Spieltage um den Klassenerhalt kämpften, nicht gerecht. Es wäre auch der Leistung, welche die Sachsen in dieser Saison insgesamt gezeigt haben, nicht angemessen. Allerdings war es eben auch keine herausragende Saison – und so hängt der HCE vom Ergebnis her irgendwo mittendrin.
Auf in die neue Spielzeit
Wenn Mannschaften Entwicklungen durchlaufen, kann es auch einmal Schritte zurückgeben – dafür gibt es viele Beispiele. Insofern wird die nächste Saison aus Sicht der Dresdner Fans spannend. Die Sachsen werden – abgesehen von der halbrechten Position – im Wesentlichen mit dem gleichen Team antreten. Natürlich kann man aus dieser Spielzeit als Spieler oder Verantwortlicher viel lernen, und manche auch nicht so gute Erfahrung kann helfen, besser zu werden. Am Ende scheint aber fast noch wichtiger, dass sich die HC-Spieler mit Blick auf die neue Saison fragen: Was will ich mit meiner Mannschaft zusammen erreichen – und (noch wichtiger) wie sehr brenne ich dafür?