HC Elbflorenz mit dramatischer Pokalsensation gegen favorisierten Erstligisten aus Hamburg
Die Ausgangsposition vor dem Spiel war klar: Der HC Elbflorenz war seit Langem in eigener Halle Außenseiter. Grund dafür war der Gegner in der 2. Runde des DHB-Pokals: der HSV Hamburg. Die Hamburger sind Teil der DAIKIN Handball-Bundesliga und damit in der stärksten Ligen der Welt
Beide Teams legten los wie die Feuerwehr, denn nach nicht einmal 3:30 Minuten stand es bereits 3:3. Dabei spielte beim Gast Aufbauspieler Moritz Sauter zunächst den Alleinunterhalter. Bei den Sachsen kam die Gefahr in den ersten zehn Minuten bis zum 7:7 vor allem aus dem Rückraum und vom Kreis. Außerdem bestraften die Dresdner die Hamburger Wechselprobleme beim Übergang von Angriff zu Abwehr immer wieder mit schnellen Toren. Kurz bevor die Anfangsviertelstunde abgelaufen war, nahm HSVH-Trainer Torsten Jansen beim 10:10 eine Auszeit und ging dabei besonders auf die Defensive seiner Mannschaft ein. Insgesamt hatten beide Abwehrreihen bis dahin Schwierigkeiten, sich gemeinsam mit den Torhütern auszuzeichnen.
In der Phase nach der Auszeit machte der HC Elbflorenz ein paar leichte Fehler im schnellen Ballvortrag und nahm sich so die Chance auf zwei, drei einfache Tore. Beim 11:12 nahm daher Cheftrainer André Haber eine Auszeit und stellte sein Team noch einmal ein. Dabei ging es sicher nur um Feinjustierungen, denn der HC Elbflorenz spielte bis dahin 20 Minuten lang eine gute Partie. Trotzdem nutzten die Hausherren in dieser Phase ein paar klare Chancen zu wenig, unter anderem auch in Überzahl, während sich der Hamburger Torhüter mit starken Paraden auszeichnen konnte. Bei 13:14 aus Sicht der Gastgeber war der HC Elbflorenz aber weiterhin sehr gut im Spiel, und beim 14:14 in Minute 25 durch Oliver Seidler vom Kreis stand alles wieder auf Anfang. In Minute 29 hatte das Heimteam die Chance auf die Führung, ebenso noch einmal in Minute 30 nach einer Parade von Keeper Mallwitz. Beide Gelegenheiten wurden jedoch nicht genutzt, und Hamburg kam per Konter zum 15:16-Halbzeitstand. Die Sachsen spielten sich zwar noch einmal zum Kreis durch, konnten das 16:16 aber nicht setzen. Damit endete eine Halbzeit, in der die Dresdner dem Favoriten aus der Hansestadt einen starken Pokalfight lieferten.
Der HSVH spielte vor allem im Angriff immer wieder seine Extraklasse aus und machte es so der Dresdner Defensive sehr schwer.
Nach der Halbzeitpause gelang es dem HC Elbflorenz in Minute 33, durch zwei Seidler-Treffer vom Kreis mit 18:17 in Führung zu gehen. Besagter Oliver Seidler war es dann auch, der für die Sachsen erstmals auf eine Zwei-Tore-Führung zum 21:19 erhöhte. Der Dresdner Kreisspieler wurde in dieser Phase von seinem Team immer wieder gesucht. Bei den Hamburgern war es in dieser Zeit des Spiels der extrem sichere Rechtsaußen Frederik Bo Andersen, der fast traumwandlerisch jede sich bietende Chance verwandelte. Als das Heimteam beim 24:23 eine klare Chance nicht im HSVH-Tor unterbrachte, nutzten die Hamburger dies in der 42. Minute zum 24:24-Ausgleich. Ein Überzahltor brachte dem Gast dann beim 24:25 wieder die Führung. Cheftrainer André Haber nahm danach seine zweite Auszeit. Die über 1700 Zuschauer konnten bis dahin weiterhin keinen Unterschied in der Ligazugehörigkeit der Teams erkennen.
Das Spiel blieb auch in der Phase danach eng. Beim Gast aus dem Norden war es jetzt immer wieder Jakob Arenth Lassen, der aus dem rechten Rückraum seine ganze Klasse zeigte. Die Gastgeber antworteten meist aus der schnellen Mitte und führten durch einen Treffer von Viktor Petersen Norberg, der auf Seiten der Dresdner eine ganz starke zweite Halbzeit spielte, in Minute 50 mit 30:29. Die Hamburger halfen sich zu diesem Zeitpunkt in brenzligen Situationen immer wieder mit ihrer individuellen Klasse. Auffällig blieb weiterhin, dass der Gast es nicht schaffte, das Dresdner Tempospiel zu verteidigen, und dass die Dresdner im 6-gegen-6 nicht die richtigen Lösungen gegen den Angriff der Hamburger fanden. So ging es beim 33:33 in die letzten fünf Minuten der Partie.
Nach der 34:33-Führung für den HC Elbflorenz in Minute 56 mussten die Hausherren wenig später zwei Minuten in Unterzahl agieren. Das brachte dem Favoriten die Chance zum 34:34-Ausgleich. In der Halle saß da schon lange kein Zuschauer mehr still. Eine Minute und 15 Sekunden vor dem Ende war es dann der Gast, der durch einen Strafwurf mit 34:35 in Führung ging. 49 Sekunden vor dem Ende bekamen die Dresdner ebenfalls einen Strafwurf zugesprochen. Die Sachsen scheiterten jedoch an HSVH-Torhüter El-Tayar. Der Gast nahm bei noch 30 Sekunden auf der Uhr die Auszeit. Die Dresdner gingen in Manndeckung, erkämpften den Ball und trafen durch Oliver Seidler zum 35:35 – acht Sekunden vor dem Ende. Anschließend brachte der HC Elbflorenz den Ball noch einmal in seinen Besitz, war aber zu weit weg vom Tor, um noch einen guten Wurf zu setzen. So ging es in die Verlängerung.
Erst in der vierten Minute der Nachspielzeit gelang einem Team das erste Tor. Es waren die Hamburger, die durch den starken Jakob Arenth Lassen ihr 36. Tor erzielten. Die Sachsen antworteten per schneller Mitte zum 36:36. Beide Mannschaften trafen dann noch einmal, und so ging es mit 37:37 in die Mini-Pause.
Mit einem Pfostentreffer der Hanseaten und einem Trickspielzug des HC begannen die letzten fünf Minuten, und der HC führte 38:37. Der Gast glich aus – ebenso wie nach der 39:38-Führung der Dresdner. Mit 39:39 endete dann die erste Verlängerung, denn der HC Elbflorenz konnte im letzten Angriff nicht treffen.
Hamburg spielte nun im 7-gegen-6. Weiterhin blieb es eng, doch die Dresdner kassierten in der Schlusssekunde dieses Abschnitts durch den überragenden Jakob Arenth Lassen das 43:44. Er war in vielen Phasen der Schlussphase immer wieder der Retter seines Teams.
Es begannen die letzten Minuten dieses verrückten Spiels, das für den HC Elbflorenz am Ende historisch werden sollte. Den Sachsen gelang jetzt ein 3:0-Lauf zum 46:44, auch weil Marino Mallwitz im Tor des HC zweimal stark parierte. Der HSVH kam aber erneut zurück und traf per Strafwurf zum 46:46. Das Heimteam hatte jedoch noch einmal den Ball und noch 18 Sekunden Zeit, etwas daraus zu machen. Es war dann Timo Löser, der zwei Sekunden vor dem Ende per Durchbruch zum 47:46 Endstand traf und damit die Euphorie in der Halle noch einmal steigerte. Er krönte damit seine starke Leistung dieses Tages und wurde nach dem Treffer von seinen Mitspielern vor Freude fast zerdrückt.
Fazit: Seit 2006 ist der Schreiber dieser Zeilen im Verein und hatte dabei bisher nur einmal nach einem Spiel eine Freudenträne im Auge – und zwar, als Sebastian Greß das entscheidende Tor zum Aufstieg in die 2. Handball-Bundesliga traf. Viele, viele Jahre später kam die zweite Freudenträne dazu, und zwar nach einem Spiel, das es so in der HC Elbflorenz-Geschichte noch nie gegeben hat. Noch nie gab es bei den Sachsen eine, geschweige denn zwei Verlängerungen, und noch nie fielen so viele Treffer insgesamt in einem Wettkampfspiel mit Dresdner Beteiligung. Und wohl noch nie war ein Spiel so spannend. Und wohl nie werden die, die da waren und es mit dem HC Elbflorenz halten, dieses Spiel vergessen. Kein Team führte über 80 Minuten hinweg einmal mit mehr als zwei Treffern. Am Ende gewann das Team, das 80 Minuten Pokalfight bot – und es verlor das Team, das zwar viel über individuelle Klasse löste, aber gefühlt erst ab Minute 60 im Pokalfight-Modus war.
Für die Dresdner war es wettbewerbsübergreifend der vierte Sieg in Folge und der Einzug in die 3. Runde des DHB-Pokals.
Tore: Cantegrel/Mallwitz (beide Tor), Wucherpfennig 4, Norberg 6, Dierberg 2, Pehlivan 2, Preußner, Stavast 5, Greß 4, Stoyke, Dutschke 3, Thümmler 3, Löser 11, Seidler 7, Bensch
Cheftrainer André Haber sagte nach der Partie: „Für uns ist heute hier schon etwas Besonderes passiert. Mit wie viel Glaube, Engagement und Überzeugung wir heute gespielt haben, beeindruckt mich. Wir haben daran geglaubt, dass wir an einem guten Tag mit einem Erstligisten wie Hamburg mithalten können. Wir haben vor dem Spiel darüber gesprochen, dass wir so lange wie möglich auf Augenhöhe agieren. Ich bin sehr stolz auf die Mannschaft, wie sie heute agiert und gekämpft hat. Wir haben gegen den Erstligisten aus Hamburg im Angriff immer wieder kreative Lösungen gefunden – und das über 80 Minuten. Wir wussten: Wenn wir alles reinlegen, kann es ein toller Handballabend werden, und wenn etwas Glück dazukommt, vielleicht auch ein magischer – und das ist heute passiert. Seitdem ich hier Trainer bin, war das die beste Stimmung, die ich hier erlebt habe – und das bei einem ganz besonderen Spiel.“
Text: Wolfram Wegehaupt