Eine Bilanz zu einer unvollendeten Spielzeit
„Jedem Rückblick liegt der Makel der Unvollkommenheit inne. Der größte Makel wäre aber der, gar nicht zurückzublicken, denn Rückblicke weisen uns die Zukunft.“ (unbekannter Verfasser)
Die diesjährige Saisonbilanz ist natürlich so unvollständig wie die Saison selbst. Aber hätte, wäre und wenn bringt in diesem Fall keinen großen Erkenntniszugewinn und so basiert die Bilanz weitestgehend auf dem, was war. Dazu kommen etwas Handballsachverstand, Zahlen sowie die Tatsache im Herzen ein Fan des HC zu sein und zwar schon seit 14 Jahren. (:
Trotz des Blickes auf die gewesenen 24 Spieltage beginnt die Rückschau mit einem Spiel, welches nicht mehr stattgefunden hat und trotzdem zeigt, dass der HC eines in seiner dritten Zweitligasaison erneut geschafft hat, nämlich den Handball in Dresden noch stärker zu etablieren. Die Rede ist vom Sachsenderby-Heimspiel gegen den EHV Aue, welches aufgrund der Corona-Krise kurzfristig abgesagt werden musste. Im Vorfeld des Spiels hatte der HC die Karten für das Derby noch nie so schnell verkauft wie je zuvor und er hätte wohl auch so viele wie nie zuvor verkaufen können. Wenn das kein Ausdruck für den gewachsenen Stellenwert des Dresdner Handballs ist, was dann? Das sich der Zuschauerdurchschnitt bei den Heimspielen in Richtung 2000er-Marke entwickelte zeigt dann auch die erneut gewachsene Konstanz beim Zuspruch für den HC. Und man muss der Ehrlichkeit halber auch erwähnen, dass die Dresdner Zuschauer nicht nur Feinkost in der BallsportARENA geboten bekamen und mit ihrem Team insgesamt in der Saison auch ein paar Täler durchschreiten mussten. Dabei erlebte man auch einen kleinen Wandel bei den Fans der Dresdner, was auch zeigt, dass Quantität nicht alles ist. So war es noch in der letzten Saison unvorstellbar bis extrem selten, dass die Zuschauer bei der gegnerischen Mannschaft mal ein kleines „Ziel“ heraussuchten und auf diesen Spieler im Speziellen richtig Druck machten. Was in anderen Hallen von den Rängen gerne mal als Mittel eingesetzt wird, gab es so in Dresden vorher nicht. Doch in dieser Spielzeit konnte man es ein paar mal erleben, was es heißt, wenn die BallsportARENA Druck aufbaut.
Minimum Platz 12 hatte sich der HC vor der Spielzeit vorgenommen, um die damit verbundene Qualifikation zum DHB-Pokal zu erreichen. Am Ende wurde es nun nach 24. Spieltagen Platz 14 mit 20:28 Punkten, 9 Siegen, 2 Remis und 13 Niederlagen. Das bedeutete im Übrigen Punktgleichheit mit dem auf Platz 12 befindlichen VfL Lübeck-Schwartau. In einer reinen Heimtabelle landete der HC mit 12:10 Punkten auf dem 13. Platz und in der Auswärtstabelle mit 8:10 Punkten auf Platz 10. Während man mit der Auswärtsbilanz durchaus zufrieden sein kann, kann man es mit der Heimbilanz nicht zwingend. Auch wenn man einrechnet, dass der HC in den verbleibenden Heimspielen noch einige Gegner aus der unteren Tabellenregion gehabt hätte, kann man mit dem Abschneiden bei den Heimspielen nicht zufrieden sein. Das Ziel die Heimstärke auszubauen, muss man in der nächsten Saison wohl noch einmal angehen.
Von 24 Spieltagen stand der HC nicht einmal auf einem Abstiegsplatz und lediglich einmal auf dem Relegationsplatz. Am Ende kann dies jeder bewerten wie er will. Mittlerweile sollte der HC aber bei aller gesunden Demut sowie bei aller Stärke und Ausgeglichenheit der Liga den Anspruch haben, mit dem Abstieg im Wesentlichen nichts zu tun zu haben oder den Nichtabstieg klar vor den letzten Saisonspielen in der Tasche zu haben. Dies kann der HC nach den schlechten Erfahrungen der Vorsaison aber für die abgebrochene Spielzeit nicht komplett für sich verbuchen, denn so richtig von den Abstiegsrängen absetzten konnte man sich zu keinem Zeitpunkt. Die Dresdner Fans brauchten auch über weite Strecken der Saison 2019/2020 dahingehend starke Nerven. Dabei soll natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass die Tendenz bei den Sachsen nach der Hinrunde mit Platz 16 (Relegationsplatz) nach oben zeigte. Hier wären wir aber schnell wieder bei Spekulationen. Dass gewisse Ansprüche in Richtung einer Platzierung für die kommende Saison vielleicht noch einmal anders bewertet werden müssen ist allerdings auch klar, denn man kann ja nicht so tun als hätte die Corona-Krise keinerlei Auswirkungen. Insofern wird es interessant wie der HC die Mischung aus eventuellen Corona-Nachwirkungen, Demut und den Ansprüchen vielleicht nicht erneut alle in der Abstiegszone zu verweilen, in ein Saisonziel für 2020/2021 gießt.
Einen Finger müssen wir etwas tiefer in eine Wunde legen und zwar in die der Defensivleistung. Es ist ganz klar zu sehen, dass sich der Handball seit dem Trainerwechsel in der letzten Saison in Puncto Tempo und Dynamik klar weiterentwickelt hat. Die Dresdner laufen mehr Angriffe und erzielen mehr schnelle Tore als in den Spielzeiten vorher. So stellte der HC den siebtbesten Angriff der Liga mit über 27 Treffern im Schnitt pro Partie. Dies ist sehr erfreulich, wie das folgende eben eher unerfreulich ist. Über längere Abschnitte der Saison war der HC nämlich rein statistisch das abwehrschwächste Team der Liga. Als die hiesige Presse dann auch noch das Wort „Schießbude der Liga“ aufbrachte, war wohl auch dem letzten klar, wo das Problem beim HC lag. Nach 24 Spieltagen konnte man nur die chancenlosen Krefelder in der Defensivtabelle hinter sich lassen und kassierte etwas mehr als 28 Tore pro Partie. Ganz klar ein Manko in dieser Saison, denn hier fehlte zwischen Offensive und Defensive zu oft die Balance. Am Ende der Hinserie lag der Wert sogar bei fast 29 Gegentreffern pro Partie. In den ersten sieben Spielen der Rückrunde zeigte dann die spezielle Trainingsarbeit in der Winterpause, mit mehr Fokus aus Defensive Erfolg, denn der HC konnte seinen Gegentorschnitt auf 27 Tore senken. Eine Senkung der Gegentoranzahl um Schnitt zwei Tore pro Partie ist im Übrigen viel entscheidender als es der Laie vielleicht denkt.
Handball ist eine Mannschaftssportart und die „Heldenverehrung“ zum Glück nicht so ausgeprägt mit beim derzeitigen „König ohne Kleider“ Fußball. Darum wollen wir hier weder in die eine wie die andere Richtung eine Bewertung der einzelnen Spieler vornehmen. Dies zu tun obliegt dem Trainerteam und anderen Verantwortlichen. Und trotzdem muss man klartextmäßig festhalten, dass es Mannschaftsteile gibt welche Erwartungen erfüllt haben und andere eben nicht. Dies dann dem einen oder anderen beizubringen ist Aufgabe der Trainer. Von diesen kommen dann sicher auch Verbesserungsansätze, denn das ist ja sein Job. Zudem hatte jeder Spieler nun ja erzwungenermaßen genug Zeit sich zu reflektieren. Das ist im Übrigen eine Sache, also das gesunde kritische umgehen mit sich selbst, welche eventuell entscheidender ist als die Tatsache, dass man durch gezieltes Training „20 Zentimeter höher springen kann“.
Highlights dieser Saison waren mit Sicherheit die unglaubliche Aufholjagd plus Sieg in letzter Sekunde im Heimspiel gegen den TV Emsdetten (29:28). Sehr beeindruckend war außerdem der souveräne Auswärtssieg im Ostderby gegen den ThSV Eisenach (35:28). Ebenso hängengeblieben ist der Kantersieg beim TV Emsdetten, als man den Zweitligadino in dessen Halle teilweise an die Wand spielte (24:33). Auch der Heimsieg gegen den damaligen favorisierten Tabellenzweiten ASV Westfalen war ein Höhepunkt (31:28), gerade weil das Spiel eine nicht wegzudiskutierende Vorgeschichte hatte.
Wolfram Wegehaupt