HC Elbflorenz gewinnt hochemotionale Heimpartie gegen Hagen und schafft die Trendwende
Die Ausfallliste vor dem Spiel war bei beiden Mannschaften lang. Der HC Elbflorenz seinerseits war im Blick auf die Entwicklung in der bisherigen Rückrunde quasi zum Punkten verdammt. Was dann 60 Minuten folgte, ist aus Sicht des Schreibers, der seit 2006 wahrscheinlich 90 Prozent aller HC-Spiele gesehen hat, eines der „Big Five“ der emotionalsten Spiele der Dresdner.
Das Dresdner Publikum stand traditionell bis zum ersten Treffer ihres Teams. Nur 42 Sekunden mussten die knapp 1.500 Zuschauer warten, bis Ivar Stavast per Schlagwurf zum 1:0 traf. Es war der niederländischen Nationalspieler, der zunächst für den HC voranging. Unterstützt von einem gut aufgelegten Marino Mallwitz im Tor der Sachsen. Nachdem der HCE in der 6. Minute 4:3 geführt hatte, kam der Dresdner Angriff ins Stocken und Trainer Rico Göde nahm in der 13. Minute seine erste Auszeit. Vor der Unterbrechung hatte das Spielniveau im Angriff insgesamt etwas abgenommen, weil auch der Gegner aus Hagen nicht die Sterne vom Himmel spielte. Beim 5:6 in Minute 15 fand sich der Gastgeber dann in doppelter Unterzahl wieder. Überraschenderweise gewann das Heimteam die Unterzahl 2:0 (7:6). Beflügelt vom guten Unterzahlspiel legte der HCE sogar bis auf 10:6 vor. Vor allem die zuletzt oft gescholtene Kombination von Abwehr und Torhüter funktionierte in dieser Phase bei den Landeshauptstädtern gut. Der VfL traf dann nach fast zehn torlosen Minuten durch Philipp Vorlicek zum 10:7 und fing sich wieder, und zwar so gut, dass der Gast eine Minute vor dem Pausenpfiff mit dem Treffer zum 11:11 auf Remis stellte. Es war dann Michael Schulz, der für den HC aus einem direkten Freiwurf heraus geistesgegenwärtig das 12:11 erzielte und damit den Pausenstand final bestimmte. Bis dahin hatten die Zuschauer ein Spiel mit vielen Leistungsschwankungen beider Mannschaften gesehen. Die Bereiche Kampf sowie Leidenschaft waren Trumpf und wurden dann in der zweiten Halbzeit auf die Spitze getrieben.
Den besseren Start in Durchgang zwei erlebten die Gäste aus Hagen, denn sie legten einen schnellen 3:0-Lauf hin. Bei der Chance auf 14:14 zu stellen, scheiterte Lukas Wucherpfennig zunächst per Strafwurf, machte es aber wenig später per Konter besser. Allerdings blieben die Gäste weiter am Drücker. Zudem verloren die Sachsen in der 36. Minute mit Ivar Stavast zwischenzeitlich den mittlerweile vierten Rückraumspieler. Er konnte erst ab Minute 48 wieder mitwirken. Beim Stand von 14:17 musste HC-Coach Rico Göde in seiner zweiten Auszeit nachjustieren. Mit viel Kampfgeist glich der HC dann auf 17:17 aus, brachte sich durch individuelle Fehler allerdings wieder ins Hintertreffen. So lag man in der 45. Minute wieder mit drei Toren zurück (17:20). Bei den Gästen war es in dieser Phase VfL-Toptorschütze Pouya Norouzinezhad Gharehlou, der die Akzente setzte. Bei den Sachsen ging hingegen Rückraumspieler Nils Holger Kretschmer voran. Der HCE kam auch nach dem 17:20 wieder zurück und das Spiel lief von Minute zu Minute auf eine ganz enge Entscheidung zu. In der 54. Minute erzielte Philip Jungemann vom Kreis für die Gastgeber das 23:23. Was folgte, war eine spektakuläre Doppelparade von HC-Keeper Marino Mallwitz. Anschließend traf der HC per Strafwurf zum 24:23. Der Wurf zum potenziellen 25:23 klatschte dann im darauffolgenden Angriff erst an den linken und an den rechten Pfosten des VfL-Gehäuses. Beim 25:25 und noch 54 Sekunden zu spielen, bekam der HC dann einen Strafwurf zugesprochen – und verwarf. Danach wurde es aus Sicht des Heimteams ekstatisch, denn Hagen warf seine Chance 15 Sekunden vor dem Ende an den Pfosten und die Dresdner schickten Lukas Wucherpfennig per Konterpass auf die Reise. Dieser netzte dann acht Sekunden vor dem Ende zum umjubelten 26:25 ein. Hagen bekam anschließend nur einen weit entfernten Wurf zustande, den Marino Mallwitz hielt. Danach ließen viele Menschen in der Halle ihren Emotionen freien Lauf. Ganz besonders Siegtorschütze Lukas Wucherpfennig, der noch Sekunden vor seinem Siegtreffer den Strafwurf vergeben hatte. Zuvor hatten die Dresdner Fans die Mannschaft gerade in den letzten fünf Minuten so gepusht, dass sie trotz schwindender Energiereserven noch ungeahnte Kräfte freisetzte.
Fazit: Das Spiel hätte sich in den letzten Minuten in jede denkbare Richtung entwickeln können. In diesem Sinne wäre ein Remis durchaus das gerechte Ergebnis gewesen. Am Ende gewann mit dem HCE aber das Team, das aus der Konstellation Personal-, Platzierungs- und Rückrundensorgen heraus den größeren Druck hatte und diesem Stand hielt. Wie wichtig der Sieg für die Sachsen war, konnte man nicht nur an der Reaktion des Siegtorschützen nach dem Spiel ablesen. Lukas Wucherpfennig sagte nach der Partie, emotional immer noch etwas mitgenommen, einiges Interessantes. Auf den Punkt brachte es aber vor allem das: „Ich fand es einfach schön, jeder hat für jeden gekämpft. Es war einfach schön! Was soll ich sagen, es tut einfach sehr gut.“
Tore: Mallwitz/Mohs/Noack (alle Tor), Zobel, Wucherpfennig 9/3, Niestroj 1, Stolze, Dumcius, Kretschmer 6, Jungemann 2, Stavast 5, Vanco 1, Klepp, Schulz 2
HCE-Trainer Rico sagte nach dem Spiel: „Es war sicher kein Handballleckerbissen. Allerdings zählt neben Taktik und Technik eben auch Leidenschaft und Wille. Da kann man heute bei beiden Mannschaften keine Abstriche machen. Man kann heute über vieles reden. Wir hatten heute einen überragenden Torhüter und auch eine gute Abwehr. Dass es im Angriff streckenweise nicht so flüssig aussah, weiß ich auch. Aber manchmal ist Handball halt purer Wille. So z. B. bei der letzten Szene, denn den letzten Ball wollte Lukas Wucherpfennig auf jeden Fall reinmachen. Alle, die heute da waren, haben einen großen Kampf gesehen. Wir haben zwei Punkte, was sehr wichtig ist. Wir haben diese Woche viel gehört und gelesen. Die Mannschaft hat darauf super reagiert und ich bin stolz auf die Truppe.“