Heißes Sachsenderby mit glücklicherem Sieger – HC verliert in Aue
In eine Halle, in der bei der Erwärmungszeit Nirvana, Pearl Jam und Lenny Kravitz läuft, kommt man gerne. Auch weil sich das wohltuend von anderen Musikprogrammen abhebt. Allerdings kann dieses musikalische Vorspiel, das punktemäßige Nachspiel bei Weitem nicht aufwiegen, denn lieber Andrea Berg oder die Flippers mit Auswärtspunkten als Nirvana, Pearl Jam und Lenny Kravitz ohne Punkte.
Christian Pöhler sagte nach dem Spiel: „Das war die beste 1. Halbzeit, welche wir bisher gespielt haben.“ Was der HC-Coach damit meinte, war vor allem der Angriff des HC. 20 mal hatten die Landeshauptstädter nach 30 Minuten auf den Kasten der Auer geworfen und dabei 16mal getroffen. Aue-Keeper Robert Wetzel wurde frühzeitig ausgewechselt und auch der für ihn gekommene Erik Töpfer konnte zunächst keine Wende bringen. Schon nach 34 Sekunden hatte Spielmacher Arseniy Buschmann den HC mit 0:1 in Führung gebracht. Buschmann agierte anfänglich zusammen mit dem anderen HC-Spielmacher Roman Becvar im Aufbau, was sich bezahlt machte. Zwar konnten die Auer durch Jort Neuteboom ausgleichen, den Ton gab aber in der Folge der HC an. Als Rechtsaußen René Boese in der 7. Minute schon den zweiten Konter hintereinander verwandelte, führte der HC 1:4. Die Auer taten sich sehr schwer mit der Dresdner Deckung und hatten im Halbrechten Midaugas Dumcius zunächst den einzigen Akteur, der richtig dagegenhielt. Die Dresdner spielten im Angriff nahezu wie aus einem Guss. Vor allem der ganz starke Henning Quade bereitet dem EHV mit zunehmender Dauer enorme Probleme. Dabei war es dem Kreisspieler auch egal, ob noch ein oder zwei Gegenspieler an ihm hingen. Aber auch über andere Positionen war der HC immer wieder erfolgreich. Als Arseniy Buschmann 5 Sekunden vor dem Pausenpfiff quasi mit Ansage das 16:11 erzielte war das der Schlusspunkt auf eine gelungen 1. Halbzeit.
In der Halbzeitpause hatte EHV-Keeper Erik Töpfer ein längeres Gespräch mit Torwarttrainer Radek Musil. Was er ihm auch immer gesagt hat, es hat eine große Wirkung. Dass Töpfer dann auch noch der alles entscheidende Mann werden sollte, wurde da aber sicher noch nicht besprochen. Als Janar Mägi zu Beginn der 2. Halbzeit viel zu überhastet abschloss und der HC anschließend einen Konter zum 17:11 im Auer Tor unterbrachte, ließen einige Auer Fans schon die Köpfe hängen. 5 Minuten später waren die Köpfe aber wieder oben, weil genau das passierte was Christian Pöhler nach dem Spiel so beschrieb: „Wir machen das Spiel zu einem Derby.“ Was war passiert? Innerhalb von 5 Minuten war quasi Erik Töpfer passiert. Der vernagelte nämlich seinen Kasten und sein Team nahm diesen Impuls auf und verkürzte Tor um Tor. Die Halle kam natürlich und der HC warf in dieser Phase dann auch noch einen Konter an den Pfosten. So nahm HC-Trainer Christian Pöhler eine Auszeit und versuchte sein Team wieder aufzuwecken. Die Souveränität der ersten 30 Minuten war innerhalb von 5 Minuten dahin. Ja, auch das ist Handball! Nach der Auszeit traf Arseniy Buschmann zum 16:18 und die Dresdner Fans atmeten kurz durch. Danach sollte es bis in die Schlussminute keine Zeit mehr zum durchatmen geben. Die Dresdner behielten zunächst lange die Nerven und waren immer wieder mit einem, zwei oder drei Toren vorn. In der 50. Minute war es dann aber soweit, denn Kevin Roch wuchtete den Ball aus dem Rückraum unhaltbar ins linke Dresdner Torangel zum 22:22. Erwähnter Roch spielte wie sein Außenpartner auf der rechte Seite Jan Faith, eine ganz starke 2. Halbzeit. Doch selbst nach dem Ausgleich verlor der HC nicht die Nerven und schaffte es mit einem Tor in Führung zu gehen. In der Folge wiederholte sich dieses Spiel bis in die 54. Minute. Als der HC allerdings nach einem Gastgeschenk, EHV-Aufbauspieler Marc Pechstein war bei der Ausführung des Siebenmeters gelaufen und Aue verlor den Ball, die Chance zum 25:27 nicht nutzte, nahm das Unheil seinen Lauf. Erst traf der starke Jan Faith zum 26:26. Ein Fehlwurf der Dresdner brachte den EHV dann wieder in Ballbesitz und Janar Mägi traf in der 58. Minute zur ersten Auer-Führung im gesamten Spiel. Adrian Kammlodt glich dies weniger später zum 27:27 aus. Der EHV nahm die Auszeit und traf nach dieser durch Gregor Remke zum 28:27. Die Dresdner nahmen im folgenden Angriff ihrerseits die Auszeit und sprachen einen einstudierten Spielzug ab. Der beinhaltete den 7. Feldspieler und ging zu fast 100 Prozent auf. Nur fast, weil EHV-Kreisspieler Phillip Jungemann Rechtsaußen Robin Hofmann grob foulte und dieser den Ball so nicht zum 28:28 im Tor unterbringen konnte. Für Jungemann gab es die rote Karte und für den HC einen Strafwurf. Leider kaufte Erik Töpfer Tim-Philip Jurgeleit diesen Strafwurf 15 Sekunden vor dem Ende ab und das Spiel war gelaufen. Der Auer Keeper, welcher kurz nach der Partie von seinen Mannschaftskollegen fast erdrückt wurde, sagte nach dem Spiel zu der Szene: „Zuerst dachte ich, nicht schon wieder. Schon bei wichtigen Siebenmetern gegen Coburg und Emsdetten stand ich im Tor und konnte nicht parieren. Dann sagte ich mir, heute nicht. Ich nahm mir vor voll in die linke Ecke zu gehen und es hat geklappt“. Bei den Dresdnern war die Enttäuschung nach dem Spiel natürlich groß.
Fazit: Es bleibt dabei, die Dresdner können auswärts nicht gewinnen. Noch nie war die Chance in dieser Saison so groß, wie in diesem Sachsenderby und das trotz erneuter Verletzungssorgen. Der HC verpasste einen richtigen Big-Point. Nach den unterschiedlichen Halbzeiten wäre eine Punkteteilung wohl das logischste gewesen, aber weil Sport nicht immer der Logik folgt, mögen wir ihn ja so sehr. In der 2. Halbzeit hatte der EHV auf der Torhüterposition ein ganz klares Übergewicht, dies endete dann in einem gehaltenen Siebenmeter. Ganze 5 Paraden konnten die Dresdner-Keeper über 60 Minuten beisteuern. Auch wenn es immer eine Kombination aus Abwehr und Torhüter ist, ist das eindeutig zu wenig. Kämpferisch kann man der Mannschaft keinen Vorwurf machen. Auch in den engen Phasen behielt sie lange die Nerven. Am Ende stand man nach einem stimmungsvollen und weitgehend fairen Derby, aber eben mit leeren Händen da. Das Spiel zeigt, in Kombination mit dem Fakt, dass der EHV 24 Zweitligaspielzeiten und 828 Zweitligaspiele mehr als der HC vorzuweisen hat, dass von außen an den HC herangetragene Ansprüche die Nummer 2 in Sachsen zu sein, ungefähr soviel Substanz haben, wie Wackelpudding als Fundament für ein Haus.
Ein großer Dank geht an die weit über 100 mitgereisten Fans, welche 60 Minuten sensationelle Stimmung machten. Zumindest in diesem Bereich war das Spiel ein Meilenstein! An euch hat es nicht gelegen! Ihr wart unser „Heimvorteil“!
EHV-Kapitän Eric Meinhardt sagte nach der Partie: „Es war heute nicht die letzte Chance, sondern eine Chance für uns. Die 1. Halbzeit ging ganz klar an Dresden und die 2. ging an uns. So steht es kurz vor dem Ende halt Parie-Parie und 60 Minuten werden innerhalb einer Minute Entschieden. Bei uns macht Gregor den Treffer und auf der anderen Seite wird der Siebenmeter gehalten.“
Rechtsaußen René Boese sagte nach dem Spiel: „Die 1. Halbzeit war sehr gut. Wir waren sehr dominant. Die Halle war ruhig und von den Gastgebern kam vor allem am Ende der 1. Halbzeit nicht mehr viel. In der 2. Halbzeit haben wir Aue wieder stark gemacht. Sicher hatten wir zu Beginn der 2. Halbzeit auch etwas Pech. Kämpferisch kann man uns, glaube ich, an diesem Tag keinen Vorwurf machen. Aber wir müssen uns trotzdem den Vorwurf machen, nicht gewonnen zu haben. Vielleicht hat jetzt auch der Letzte begriffen, dass wir gegen den Abstieg spielen.“
Wolfram Wegehaupt
Tore: Halfmann/Huhnstock/Meinl (Tor), Hruscak, Jurgeleit 3/2, Göde, Boese 4, Dierberg 7/2, Buschmann 3, De Santis 3, Kammlodt 3, Becvar 1, Quade 3